Beschaffungsmärkte

Auch bei der Analyse der Beschaffungsmärkte geht es um die Feststellung von Abhängigkeiten. Bezieht zum Beispiel ein Unternehmen seine Rohstoffe bzw. seine Handelswaren von wenigen Abnehmern, kann dies in der Gestaltung der Preise und Zahlungsbedingungen zu großen Nachteilen führen.

Ferner ist zu untersuchen, welche wesentlichen Rohstoffe von einem Unternehmen benötigt bzw. verarbeitet werden. Dies muss unter dem Aspekt erfolgen, inwieweit die Kalkulation durch Preisschwankungen oder Währungsveränderungen auf der Beschaffungsseite beeinträchtigt werden kann. Der Rohstoff Baumwolle beispielsweise unterliegt starken Preisschwankungen, die sowohl aus Angebot und Nachfrage, als auch aus dem Auf und Ab des Dollarkurses herrühren.

Unter Umständen ist es dem Unternehmen möglich, Preisveränderungen auf der Beschaffungsseite bei auftragsbezogener Produktion durch entsprechende Preisgleitklauseln auf der Absatzseite abzufangen. Im Mineralölhandel ist es zum Beispiel bei längerfristigen Bezugs- bzw. Lieferverträgen durchaus üblich, die Preisfindung an den aktuellen Marktpreis anzukoppeln. Dies ist jedoch nur bei Rohstoffen bzw. Waren möglich, für die, etwa durch Börsennotierung, permanent ein transparenter Marktpreis festzustellen ist. Zusätzlich zu den Preis- und Währungsrisiken ist auf der Beschaffungsseite die Sicherheit der notwendigen Belieferung zu berücksichtigen. Ist beispielsweise ein Unternehmen auf Rohstoff-Lieferungen aus politisch instabilen Ländern angewiesen, kann dies bei politischen Krisen zu existentiellen Risiken führen (Beispiel: Mineralölhandel).

Das gilt insbesondere auch für Unternehmen, die sich als Generalunternehmer betätigen (beispielsweise im Anlagenbau) und auf die termin- und qualitätsgerechte Lieferung von Zulieferanten angewiesen sind. In diesem Falle kann auch die Bonität der Lieferanten von gravierender Bedeutung sein. Da der Generalunternehmer gegenüber seinem Abnehmer Lieferverpflichtungen für einen Gesamtkomplex eingegangen ist, haftet er seinem Abnehmer gegenüber für die termin- und qualitätsgerechte Gesamtlieferung. Sollte beispielsweise ein Lieferant infolge einer Insolvenz ausfallen, kann die Ablieferung einer Gesamtanlage gefährdet werden. Der Generalunternehmer muss in diesem Fall mit einem vollen Zahlungsausfall rechnen. Auf der Beschaffungsseite kann er jedoch nur den insolvent gewordenen Lieferanten für seinen Zulieferanteil in Regress nehmen. Insbesondere bei Unternehmen, die Generalunternehmer-Funktion übernehmen, kommt somit der Bonität der Lieferanten eine gravierende Bedeutung zu.

Produktionstechnologie und Rationalisierungsgrad

Die künftige Konkurrenzfähigkeit eines Produktionsunternehmens hängt heute in besonderer Weise von modernen Produktionstechnologien mit hohem Rationalisierungsgrad ab. Neuinvestitionen zur Verbesserung des Fertigungsdurchlaufes und damit in der Regel auch zur Material- und Personaleinsparung sind unerlässlich.

Unternehmen mit schlechter Ertragslage neigen dazu, zur "Schonung" ihrer Liquidität Investitionen - soweit möglich - zurückzustellen. Dies bedeutet, dass auch Ersatzinvestitionen nicht mehr im üblichen Rahmen vorgenommen werden. Auf mittlere Sicht muss ein derartiges Investitionsverhalten sich negativ auf die Rentabilität auswirken. Eine weitere Kennziffer, die indirekt Aussagen über die produktionstechnische Ausstattung zulässt, wäre die Pro-Kopf-Leistung (Gesamtleistung pro Mitarbeiter) im Mehrjahresvergleich, um hieraus einen Trend ersehen zu können. Hilfreich ist insbesondere bei dieser Kennziffer eine Gegenüberstellung mit Werten anderer Unternehmen der Branche. Die Pro-Kopf-Leistung lässt Aussagen zur Produktivität und damit auch zum Rationalisierungsgrad zu und sollte daher zusätzlich in das Kennziffernsystem für die Bonitätsprüfung integriert werden.

Zur Beurteilung der Produktionstechnologie kann ferner eine Betriebsbesichtigung hilfreich sein. Dies gilt vor allem dann, wenn der Kreditsachbearbeiter diese Betriebsbesichtigung beim Unternehmen in regelmäßigen Abständen (zum Beispiel jährlich) vornimmt und unter Umständen auch Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Unternehmen dieser Branche hat. Es muss jedoch bewusst bleiben, dass ein Kreditsachbearbeiter kein Produktionsfachmann - noch dazu in diversen Branchen - sein kann. Trotzdem wird in der Praxis durch regelmäßige Betriebsbesichtigung ein "Feeling" für eine sach- und zeitgemäße maschinelle Ausstattung und Organisation entwickelt.

Sofern Investitionen einer geplanten Expansion des Absatzes bzw. der Aufnahme zusätzlicher Produktlinien dienen, muss bei Betrachtung der Absatzmärkte sorgfältig geprüft werden, inwieweit diese auf Expansion gerichtete Unternehmenspolitik angesichts des Umfeldes des Unternehmens realistisch erscheint.

Grundsätzlich kommt der Investitionspolitik bei der Bonitätsprüfung eine besondere Bedeutung zu, da es sich hierbei letztlich um Maßnahmen zur langfristigen Zukunftssicherung des Unternehmens handelt.

Forschung und Entwicklung

Im Lagebericht oder im Anhang zu Jahresabschlüssen von Kapitalgesellschaften sind künftig die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung anzugeben. Auch diese Aufwandsposition ist ein wesentlicher Bestandteil der Zukunftssicherung eines Unternehmens. Angesichts der in den meisten Bereichen starken Produktinnovation - dies gilt in besonderer Weise für die EDV-Industrie - wird ein Produktionsunternehmen längerfristig nur dann überleben können, wenn eine systematische Weiterentwicklung sowohl der Produkte als auch - wie oben dargestellt - der Produktionstechnologie erfolgt. Die Entwicklung der Forschungs- und Entwicklungskosten in der Relation zur erzielten Gesamtleistung stellt hierfür einen Gradmesser dar. Auch der Aussagewert dieser Kennziffer erhöht sich, wenn die Möglichkeit besteht, Vergleichswerte anderer Unternehmen der gleichen Branche heranzuziehen. Hierbei ist jedoch auf die Problematik der Zurechnung von Aufwendungen zu den Forschungs- und Entwicklungskosten hinzuweisen. In diese Position gehen insbesondere Personal-, Material- und sonstige Aufwendungen ein, allerdings nach der individuellen Kostenrechnung des jeweiligen Unternehmens. Die zugrunde liegenden Kostenschlüssel können jedoch sehr unterschiedlich sein, so dass die Entwicklungskosten verschiedener Unternehmen nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar sind.

Marktposition

Die Position eines Unternehmens gegenüber seinen Abnehmern und/oder Lieferanten für die Beurteilung der Chancen und Risiken einen hohen Stellenwert hat. Infolgedessen muss im Rahmen der Bonitätsprüfung die Marktposition für die einzelnen Produktlinien untersucht werden.

Marktpotential - Hohe Hypothek.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die Frage zu stellen, inwieweit sich das Unternehmen mit seinen Produkten in einem

Markt bewegt. Auch beim Marktpotential ist der Standort bzw. der regionale Absatzmarkt von Bedeutung. Das Marktpotential darf nicht allein retrospektiv bzw. auf kurze Sicht betrachtet werden, vielmehr ist hier eine mittel- bis langfristige Perspektive unerlässlich.

Beispiel: In der Spielzeug-Industrie gibt es häufig Spielzeugartikel mit vorübergehend boomartigen Absatzchancen. Da diese Artikel jedoch häufig als Modeerscheinung anzusehen sind, bricht der Markt hierfür häufig kurzfristig völlig zusammen, so dass ein Artikel, der vorübergehend sehr hohe Stückzahlen erreichen konnte, nach kurzer Zeit überhaupt nicht mehr absetzbar ist.