Auswertung der Kontoführung

Bei bestehenden Kundenverbindungen ist die Beobachtung der Kontoführung ein besonders geeignetes Mittel, um die tatsächliche finanzwirtschaftliche Position und insbesondere die dispositive Liquidität eines Unternehmens zu beurteilen.

Die Kontoführung muss daher systematisch nach folgenden Kriterien untersucht werden:

Die Kontoführung liefert wesentlich zeitnähere Informationen über die Situation eines Unternehmens als Bilanzzahlen! Diese wertvolle Informationsquelle muss daher sowohl bei der Unternehmensanalyse als auch bei der Kreditüberwachung konsequent eingesetzt werden.

Auswertung der Evidenzmeldungen der Landeszentralbank

Für die Überwachung der Bankenverschuldung eines Unternehmens sind die Evidenzmeldungen der Landeszentralbank ein wichtiges Hilfsmittel. Die Evidenzmeldung liefert Zahlen zur Verschuldung, die unabhängig vom Bilanzstichtag sind. Somit sind diese Zahlen im Grundsatz nicht durch bilanzpolitische Überlegungen, die für den Jahresabschluss vorgenommen werden, beeinträchtigt. Allerdings ist den Unternehmen bekannt, dass die Banken über dieses Informationsmittel verfügen, so dass im Einzelfall nicht auszuschließen ist, dass die Zahlen in der Evidenzmeldung zu den Meldestichtagen durch entsprechende Dispositionen "manipuliert" werden. Dies kann zum Beispiel durch vorübergehende Kreditinanspruchnahme bei nicht meldepflichtigen Instituten (Kreditaufnahmen im Ausland) oder durch Darlehensaufnahme bei "nahe stehenden" Gesellschaften (beispielsweise Minderheitsbeteiligung) erfolgen, die nach § 19 KWG nicht als konzernzugehörig anzusehen sind.

Hierdurch wird die Aussagekraft insbesondere bei kleineren Unternehmen stark beeinträchtigt. Diese haben die Möglichkeit, durch Verteilung der Kredite auf mehrere Institute die Zahlen in der Evidenzmeldung entsprechend zu steuern.

Um die Evidenzzahlen auswerten zu können, ist es notwendig, für jeden einzelnen Kreditnehmer die gemeldeten Zahlen formularmäßig festzuhalten. Bei entsprechender EDV-Ausstattung ist dies heute ohne zusätzlichen manuellen Aufwand möglich. Bei der Evidenzauswertung sollten die Verschuldungszahlen von mindestens zwei Jahren gegenübergestellt werden. Die Abweichungen von einem Meldetermin zum anderen sind allein noch nicht aussagefähig, da Kreditinanspruchnahmen unter anderem saisonalen bzw. stichtagsbedingten Einflüssen unterliegen. Nur in einem längerfristigen Vergleich und unter Gegenüberstellung der entsprechenden Zahlen des Vorjahres ergeben sich aus der Evidenzmeldung aussagefähige Informationen.

Wie aus dem Beispiel ersichtlich, empfiehlt es sich, zu den Stichtagen die Inanspruchnahmen beim eigenen Institut der Gesamtverschuldung gegenüberzustellen und deren Anteil an der Gesamtverschuldung zu beobachten.

Höhere Inanspruchnahmen beim eigenen Institut können auf einen Akquisitionserfolg zurückzuführen sein, jedoch ist auch nicht auszuschließen, dass andere Banken aus Gründen des Kreditrisikos ihre Linien gekürzt haben.

Interessant im Rahmen der Risikobeurteilung ist auch die Anzahl der finanzierenden Banken. Auch hier gibt es in der Bewertung keine einheitlichen Leitlinien. Eine Erhöhung der Anzahl der Banken kann unter Umständen ein Krisensymptom bedeuten, wenn zusätzlicher Kreditbedarf nicht mehr bei den Hausbanken gedeckt werden kann, sondern kleinere Kredite bei weiteren Kreditinstituten aufgenommen werden müssen.

Umgekehrt kann auch die Verringerung der Anzahl der finanzierenden Banken als Krisensymptom gedeutet werden, falls sich Kreditinstitute bewusst aus ihrem Engagement zurückgezogen haben.

Fazit: Wesentliche Veränderungen, die sich aus der Evidenzmeldung ergeben, müssen im Gespräch mit dem Kunden aufgeklärt werden. Die Veränderungen für sich lassen in der Regel noch keine wertende Aussage zu. Trotz der oben genannten Einschränkungen ist die Evidenzmeldung der Landeszentralbank als ein unverzichtbares Element im Rahmen der Unternehmensanalyse und der Kreditüberwachung anzusehen.

Stellenwert der Branchenanalyse

Der Branchen- bzw. Unternehmensvergleich bietet sich als zusätzliches Instrument für eine Bonitätsprüfung an. Große Institutsgruppen verfügen heute als "Abfallprodukt" der maschinellen Bilanzanalyse über Branchenkennziffern, denen die entsprechenden Kennzahlen des einzelnen Kreditnehmers gegenübergestellt werden.

Hierdurch soll ermittelt werden, ob der einzelne Kreditnehmer bezüglich seiner Bilanzrelationen und seiner Ertragssituation im Trend liegt. Sofern im Rahmen der Branchenkennziffern lediglich Durchschnittswerte ermittelt werden, ist die Aussagekraft als sehr eingeschränkt anzusehen. Anhand eines Durchschnittswertes ist kaum zu ermitteln, ob eine negative Abweichung beim Einzelkreditnehmer bereits als eine tatsächlich bedrohliche Entwicklung anzusehen ist. Anhand des Vergleichs mit Branchendurchschnittskennziffern lassen sich somit kaum Diskriminanzwerte ermitteln. Für die Auswertung von Branchenkennziffern sollten vielmehr Bandbreiten gebildet werden, etwa mit folgender Zuordnung:

Es sei jedoch auf folgende Probleme hingewiesen:

Branchenzuordnung

Branchenkennzahlen sind nur dann aussagefähig, wenn ein sorgfältig strukturierter Branchenschlüssel vorgegeben wird. Dieser sollte 250 bis 300 Branchen umfassen. Das eigentliche Problem ist jedoch in der sachgerechten Branchenzuordnung des Einzelkreditnehmers zu sehen. Diese ist Voraussetzung, wenn man vermeiden will, dass man "Äpfel mit Birnen vergleicht". Hinzu kommt, dass viele Unternehmen aus Gründen der Risikoeingrenzung ihr Produktprogramm diversifiziert haben und somit nicht mehr zu 100 Prozent einer Branche zugeordnet werden können. In der Regel behilft man sich in solchen Fällen damit, dass man die Sparte mit dem höchsten Umsatzanteil der Branchenzuordnung zugrunde legt.

Rechtsform

Auch durch unterschiedliche Rechtsformen von Unternehmen einer Branche kann die Aussagekraft von Branchenkennzahlen beeinträchtigt werden.

Rentabilitätskennziffern von Kapitalgesellschaften einerseits und Personengesellschaften andererseits sind nicht miteinander vergleichbar, da bei Personengesellschaften die ertragsabhängigen Steuern nicht im Unternehmen anfallen und somit im Ergebnis nicht berücksichtigt sind. Diesen Effekt kann man dadurch eliminieren, dass man bei Branchenkennzahlen grundsätzlich mit dem Ergebnis vor Steuern arbeitet.

Trotzdem wird man Werte von Kapital- und Personengesellschaften nur bedingt miteinander vergleichen können, da, von den Ausnahmen des Publizitätsgesetzes abgesehen, Jahresabschlüsse der Personengesellschaften nicht veröffentlicht werden. Die bilanzpolitische Zielsetzung bei Personengesellschaften wird vornehmlich durch das Bestreben nach Senkung des Steueraufwandes bestimmt. Kapitalgesellschaften dagegen, deren Jahresabschlüsse der Öffentlichkeit und insbesondere auch den Gläubigern zugänglich sind, bilanzieren dagegen unter strategisch grundlegend anderen Zielsetzungen. Hinzu kommt, dass die Bewertungsspielräume bei Einzelkaufleuten und Personengesellschaften wesentlich größer sind als bei Kapitalgesellschaften.

Es empfiehlt sich daher, bei Branchenvergleichen getrennte Kennzahlen für Personengesellschaften und für Kapitalgesellschaften zu ermitteln.

Größenordnung der Unternehmen

Es ist wirtschaftlich nicht sinnvoll, mittelständische Unternehmen mit Großunternehmen zu vergleichen. Infolgedessen empfiehlt es sich, zusätzlich eine Differenzierung nach Größenordnung (Basisgröße: Umsatz) innerhalb der Branchen vorzunehmen.

Der Branchen- und Unternehmensvergleich ist somit ein sinnvolles Hilfsmittel für die Bonitätsprüfung, sofern ein sachgerechter Branchenschlüssel vorliegt und eine qualifizierte und vor allem einheitliche Branchenzuordnung weitgehend gewährleistet werden kann. Hervorzuheben bleibt, dass Branchenkennzahlen nur ein zusätzliches Hilfsmittel für die Bonitätsprüfung darstellen und die individuelle Analyse des Kreditnehmers bei der Bonitätsprüfung im Vordergrund stehen muss.